Freitag, 17. Februar 2017

Die Welt blickt auf Europa

Jede Generation kann von sich behaupten in einer besonderen Zeit zu leben. Es gibt Erfindungen, neue Staaten, soziale Umbrüche und das Leben ändert sich im Vergleich zur vorherigen Generation in immer rasenderer Geschwindigkeit. 

Zurückblickend gibt es bestimmte Ereignisse, die für die Geschichte der Menschheit einen Umbruch bedeuteten. 
Die Pest im 14. Jahrhundert war sicherlich solch ein Ereignis von dem die Überlebenden der Katastrophe wussten das sich die Welt verändert hat. 
Als der Buchdruck erfunden wurde, ergaben sich völlig neue Möglichkeiten der Wissensvermittlung. 

Mit zunehmender "Schnelligkeit" der Gesellschaft sowie der globalen Vernetzung fanden auch immer mehr Ereignisse Einzug in die Geschichtsbücher. 
Wer an die Geschichte des 20. Jahrhunderts denkt, sieht die beiden Weltkriege, die Mondlandung, den Fall der Mauer. 
Auch im 21. Jahrhundert mussten wir mit 9/11 bereits ein solches Ereignis erleben. 

Warum ich, bei dieser Überschrift, so weit aushole?
Ich bin überzeugt das wir in Europa vor einen solchen Ereignis stehen. 
Wie, wann und an welchen genauen Punkt dieses Ereignis festgemacht werden wird, lesen meine Kinder oder Enkel eines Tages in den Geschichtsbüchern nach. 

In Europa wird sich die Geschichte der Menschheit für die nächsten Jahrzehnte entscheiden. 

Bereits seit dem Jahr 2000 lenkt Wladimir Putin, mit verschiedenen Ämtern, die Geschicke Russlands. Durch seine Art und seine politische Vorgehensweise hat er in Europa viel Misstrauen wachsen lassen. So weit, das vereinzelt schon von einem Wiederaufleben des Kalten Krieges gesprochen wird.
Auch die USA haben mit Donald Trump nun einen Präsidenten der, vorsichtig gesagt, kein großes Vertrauen bei den anderen Staatsoberhäuptern genießt. 
In China regiert weiterhin die Kommunistische Partei mit allen Einschränkungen welche ein autoritäres Einparteiensystem mitbringt.

Doch all diese ehemaligen, aktuellen oder auch angehenden Supermächte haben weder den eigenen Anspruch noch das Bestreben eine Lösung für mehr als ihr eigenes Land und eventuell ihren Verbündeten zu suchen. 
Die USA haben, auch vor der Ära Trump, stets ihren eigenen Vorteil gesucht. Sie haben weltweit Verbündete welche ebenfalls großzügig von der Macht der USA profitierten. Ein ganzheitlicher Ansatz, also eine Zusammenarbeit auf politischer, wirtschaftlicher, militärischer und kultureller Ebene, war dies nie.

Die Idee, Staaten und Völker zusammen zu bringen, war der Grundgedanke der europäischen Union. 
Ja, sie war niemals perfekt (ich denke auch das ein solches System niemals perfekt sein kann und nur nach seinem Streben dorthin beurteilt werden sollte), sie hat sicherlich auch Interessen die außerhalb des menschlichen Mitgefühls liegen. Die EU ist bürokratisch, kümmert sich um den Krümmungsgrad von Bananen und ist sowieso viel zu teuer. 

Doch was hat Sie erreicht? Sie hat im westlichen Teil Europas eine noch nie dagewesene Friedensdauer erwirkt. Seit 1945 gab es in Kerneuropa keine zwischenstaatlichen Kriege mehr. Dies sind nunmehr fast 72 Jahre! 
Ein Zeitraum von Frieden welcher für die Menschheit ein echtes Novum darstellt.
Ja, auch mit dem Nordirland-Konflikt, der ETA und vor allem den Balkankriegen wurden weiterhin örtlich Konflikte mit teils größter Brutalität ausgetragen. 
Im Vergleich zu den Generationen zuvor und auch anderen Teilen der Welt kann man dennoch von einem grundsätzlich friedlichen Europa sprechen. 

Die Gründe hierfür sind vielschichtig und würden einen Blog sicherlich um ein Vielfaches sprengen. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, das solch ein Bündnis nicht nur durch sicherheitspolitische Interessen oder Bestrebungen der Wirtschaft zusammenwachsen und -halten kann. 
Es sind die Menschen, die durch Reisefreiheit sich näher kommen. Die wegen fehlenden Grenzen nicht das Gefühl haben dass der Nachbar gefährlich ist und ausgesperrt werden muss. Besucher, die wissen wie viel ihre Vorfahren bei Freiheitskämpfen hinter dem eisernen Vorhang opfern mussten und nun mit dem Flugzeug in ein paar Stunden in Paris sein können. Niemand muss mehr Truppen an die innereuropäischen Grenzen kommandieren, aus Angst überfallen zu werden.
Europa, die Europäische Union oder auch die europäische Idee: Dies ist kein Konstrukt, kein Wirtschaftsverband; es ist ein Gefühl. Dieses Gefühl der Sicherheit ist eine der Grundlagen die zu dem führt was man allgemein als Völkerverständigung versteht. 
Dies, und nur dies, führt zu Frieden. 

Das alles ist in akuter Gefahr.

Nicht durch Wladimir Putin, nicht durch Donald Trump, auch nicht durch Recep Erdogan und seinen zehntausenden Verhaftungen.
Die Gefahr lauert innerhalb Europas. Sie heißt Nationalismus. 

Europaweit sind sind nationalistische, rechtspopulistische oder teils offen rassistische Kräfte im Aufwind. Sie verkörpern das, was Europa jahrhundertelang in Kriege und Elend gestürzt hat.
In Deutschland die AfD. Frauke Petry gibt an das Flüchtlinge an den deutschen Grenzen notfalls erschossen werden (nichts anderes ist die Konsequenz Ihrer Aussage, auch wenn Sie dies nicht direkt "erschießen" ausgesprochen hat).
Bei den Nachbarn in Österreich wurde beinahe der Rechtspopulist Norbert Hofer Bundespräsident.
Die Niederländer Geert Wilders hat schon seit vielen Jahren den Islam als Feindbild ausgemacht - und möchte 2017 mit seiner rechtspopulistischen PVV die 10% aus dem Jahr 2012 steigern. 
Ein Blick nach Westen offenbart das in Frankreich Marie Le Pen, welche 2010 betende Menschen mit nationalsozialistischen Besetzern verglichen hat, gute Chancen hat zur Präsidentin gewählt zu werden. 
In Polen werden die Entscheidungen der Regierung von teilweise großen Demonstrationen begleitet. 
Jüngst gingen in Rumänien die Bürger gegen die de facto Abschaffung der Strafbarkeit von Korruption auf die Straße (dies an sich ist natürlich unabhängig von einer politischen Strömung, steht aber völlig konträr zu den Werten die innerhalb der EU vereinbart sind).
Bulgariens Regierung hat an der so genannten EU-Außengrenze zur Türkei einen Zaun errichten lassen. 
In Großbritannien stimmte in Juni 2016 nach einem populistisch geführten Wahlkampf eine knappe Mehrheit für den so genannten Brexit und damit dem Austritt aus der Europäischen Union. 

Die Liste ist nicht abschließend, auch in anderen Ländern gibt es mehr oder minder starke Nationalbewegungen. 

Europa steht (ich muss zugeben mir fällt kein besseres Wort als diese oft genutzte ein) am Scheideweg.

Diese Erkenntnis an sich ist nichts Besorgnis erregendes, die Geschichte ist voll von diesen Punkten. 
Die Frage ist für welchen Weg sich Europa entscheidet. Wählen die Menschen den nationalen Weg, den Weg mit Höcke, Le Pen, Wilders und Co. in die Isolationen der einzelnen Staaten? Droht dann auch der Zerfall der NATO (Beispielsweise Le Pen stellt dieses Bündnis in Frage)? Dieser Zerfall würde nichtmal Linken oder Pazifisten erfreuen, denn die Folge wäre nicht weniger Militäretat in den einzelnen Staaten sonder mehr. 
Die europäische Freihandelszone kann unterbrochen werden, damit die freie Reisemöglichkeit ohne Grenzen, Schranken und Zölle. 
Kulturelle Zusammenarbeit in allen Bereichen wird beendet. 
Familien werden getrennt weil eine Person sich nicht mehr ohne Visum im Land des Partner aufhalten kann. 
Dieser Rückschritt in ein Europa am Vorabend des ersten Weltkrieges ist denkbar. In diesem Jahr können mit den Wahlen in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich viele Europäer entscheiden ob die bisherigen Bestrebungen weitergehen. 
"Anders sein" ist dann keine normale Eigenart mehr sondern ein Grund für Ausgrenzung.

Die Folgen für Europa wären immens. Überwiegen tun aber die Folgen für die gesamte Welt. In Russland fühlte man sich nach dem Fall des Eisernen Vorhanges verraten. Das Versprechen, die NATO wird nicht Richtung Osten erweitert, wurde gebrochen. Nun bestehen unter Wladimir Putin wieder Bestrebungen Russland zu einer "richtigen" Großmacht wachsen zu lassen. Hier muss Europa Vertrauen wiederherstellen. 
Die USA, stets ein im positiven Sinne ausrechenbarer Partner, haben sich eine "Auszeit" genommen und eine verquere Regierung unter Führung eines Immobilienunternehmers installiert, welche u.A. von einem Rassisten in sicherheitspolitischen Fragen beraten wurde. Europa muss mit einer Stimme diesem Präsidenten entgegen treten. 

Europas Aufgabe ist es, in dieser unruhigen Zeit eine führende Rolle einzunehmen. Die EU hat die wirtschaftliche und politische Macht für die Welt ein Beispiel zu geben wie das Zusammenleben ohne Nationalismus, ausufernden Militarismus und offenen Rassismus gestaltet werden kann. 

Nur so können wir Autokratien und Diktaturen schwächen, Demokratie und freien Willen stärken. Keine Waffe hat jemals Frieden bewahren können, die EU hat bei all Ihren Fehlern gezeigt das Ihre Zusammenarbeit dies kann.
Die EU muss sich beweisen. Wie sie mit Schwächen ihrer Partner umgeht. Mit den Ängsten ihrer ehemaligen Feinde. Mit der Armut in Afrika. Mit den Kriegen im Nahen Osten.

Europa lebt so lange hier Menschen sind die an die europäische Idee glauben. Die Idee von Demokratie, Freiheit und Zusammenarbeit. 
Diese Idee gilt es zu bewahren und zu verteidigen.

Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir die Möglichkeit um unsere freie Wahl treffen zu können.
Nutzen wir Sie, damit es zukünftige Generationen auch noch können und wir nicht die erste und zugleich letzte Generation sein werden welche sich als Europäer bezeichnet. Damit meine Enkel mit Stolz in das Geschichtsbuch blicken können.

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